25 Jahre Musealog – Die Museumsakademie

Von der Massenarbeitslosigkeit zum Fachkräftemangel

Vor 25 Jahren startete ein bis heute in Deutschland einmaliges Angebot für Akademiker*innen zur beruflichen Qualifizierung für die Museumsarbeit im Nordwesten Niedersachsens. Über 650 Historiker*innen, Kunsthistoriker*innen, Kulturanthropolog*innen und Wissenschaftler*innen aus verwandten Fachdisziplinen haben seitdem die Chance genutzt, sich an der Museumsakademie MUSEALOG innerhalb von mehreren Monaten zu hoch qualifizierten Museumswissenschaftler*innen für das Berufsfeld Museum weiterzubilden. Ihre Teilnahme wird dabei von den Arbeitsagenturen und Jobcentern mit einem Bildungsgutschein gefördert. Heute trifft man auf zahlreiche Absolvent*innen in den verschiedensten Positionen in deutschen Museen und auch so manche*r Museumsdirektor*in blickt auf eine MUSEALOG-Vergangenheit zurück.

Von Anfang an wurde MUSEALOG als duale berufliche Weiterbildung konzipiert, die aus Museumspraxis sowie Fachseminaren und EDV-Schulungen besteht. Die kooperierenden Museen gewährleisten seitdem über die gesamte Dauer des Kurses einen hohen Praxisbezug bei MUSEALOG. Hier arbeiten die Teilnehmenden an verschieden Museumsprojekten und sammeln wichtige Berufserfahrungen. Parallel dazu vertiefen Expert*innen aus der Museumswelt in den Fachseminaren und EDV-Schulungen die Themen Sammeln und Entsammeln, Bewahren, Forschen und Dokumentieren, Ausstellen und Vermitteln sowie Museumsmanagement.

Am 15. April 1997 wurde der »Verein zum Erfassen, Erschließen und Erhalten der historischen Sachkultur im Weser-Ems-Gebiet e.V.«, der seine Ziele schon im Vereinsnamen benennt, in das Vereinsregister am Amtsgericht Emden eingetragen. Auf Initiative der Bezirksregierung Weser-Ems hatten sich zuvor Vertreter der Ostfriesischen Landschaft, der Oldenburgischen Landschaft, der Emsländischen Landschaft und des Museumsdorfes Cloppenburg getroffen, um den Trägerverein ins Leben zu rufen. Im gleichen Jahr startete die berufliche Weiterbildungsmaßnahme an drei Museen, dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden, dem Museumsdorf Cloppenburg und dem Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. In den folgenden Jahren erweiterte sich der Kreis der Museen: Im Jahr 2000 traten das Schlossmuseum Jever und das Emslandmuseum Lingen hinzu, 2001 folgte das Deutsche Sielhafenmuseum und 2003 das Emsland Moormuseum. 2004 kam das Museum Nordenham dazu, das Schloss Clemenswerth schloss sich 2007 an und seit 2009 ergänzt das Stadtmuseum Oldenburg den Verbund der an MUSEALOG beteiligten Museen.

Doch wie kam es überhaupt zu der Konzeption einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für die arbeitslose Wissenschaftler*innen mit Schwerpunkt Museum? Mitte der 1990er Jahre hatte sich der Computer in weiten Bereichen der Berufswelt etabliert, sodass neue berufliche Anforderungsprofile entstanden. Auch in den Museen drangen die Computer immer weiter vor und setzten sich als elektronische Schreibmaschine mit unbegrenzten Korrekturfunktionen durch. Zeitgleich diskutierten die Museumsmitarbeiter*innen aus der Sammlungsverwaltung leidenschaftlich über die Potenziale der elektronischen Datenverarbeitung, kurz EDV, für die Museumsdokumentation. Chancen und Risiken einer Ablösung der bis dahin karteikartenbasierten Dokumentation durch eine datenbankgestützte Inventarisierung wurden ausgiebig erörtert. Kernthemen der Diskussion waren sowohl technische Fragen zur langfristigen Datensicherheit, zum Speicherplatz und zur Bildeinbindung wie auch inhaltliche Fragen der Standardisierung von Datenfeldkatalogen, Systematiken, Thesauri und Schlagwortkatalogen. Hier entstand ein neues Anforderungsprofil für Wissenschaftler*innen im Bereich der Museumsdokumentation, und damit ergab sich eine Chance für Akademiker*innen mit einem kultur- und geisteswissenschaftlichen Profil, die in den 1990er Jahren in einem hohen Maß von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Vor diesem Hintergrund wurde MUSEALOG mit Unterstützung des Arbeitsamtes Emden als berufliche Weiterbildungsmaßnahme zur computergestützten wissenschaftlichen Inventarisierung in Museen konzipiert. Ziel war es, den neuen Bedarf der Museen an Wissenschaftler*innen mit museologischen EDV-Kompetenzen zu bedienen und so einen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit von Akademiker*innen mit geisteswissenschaftlichem Profil zu leisten. Am 5. Mai 1997 startete der erste Kurs zur »Einführung in Techniken moderner museologischer Arbeit anhand der historischen Sachkultur in Weser-Ems«.

Ab der Jahrtausendwende rückte die Qualität der musealen Arbeit und das Qualitätsmanagement in den Fokus der Diskussionen in der Museumslandschaft. Ein neues Augenmerk wurde auf das Sammeln gelegt und das Tabu des Entsammelns von Museumssammlungen wurde aufgebrochen. 2005 führt MUSEALOG selbst ein Qualitätsmanagementsystem ein, optimierte die Abläufe der Maßnahme und reduzierte in der Folge die Kursdauer auf seitdem acht Monate. Seit 2006 wird MUSEALOG regelmäßig zertifiziert und ist als berufliche Weiterbildungsmaßnahme nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung – AZAV (bis 2012 Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung – AZWV) anerkannt.

2006 veröffentlichten der Deutsche Museumsbund und ICOM Deutschland erstmals »Standards für Museen«. Im gleichen Jahr startete der Museumsverband für Niedersachsen und Bremen sein Qualitätsmanagementsystem »Museumsregistrierung« für Museen (seit 2013 »Museumsgütesiegel«), in dem für jedes beteiligte Museum die Erarbeitung eines Leitbildes,
Museumskonzepts und Sammlungskonzepts verpflichtend wurde. MUSEALOG erweiterte das Themenspektrum der Seminare um das Sammlungsmanagement und Qualitätsstandards in den Museen. Seit 2008 erhalten die Absolvent*innen der Museumsakademie MUSEALOG dementsprechend das Zertifikat »Fachreferent*in für Sammlungsmanagement und Qualitätsstandards in Museen«. 2009 gelang mit Unterstützung der EWE-Stiftung erstmals für jede*n Teilnehmer*in einen Leihlaptop anzuschaffen. Seitdem erhalten alle Teilnehmer*innen über die gesamte Kursdauer einen Laptop zur Verfügung gestellt, auf der die in den EDV-Schulungen unterrichtete Software installiert ist, sodass auch außerhalb des Unterrichts
mit den Programmen weitergearbeitet und das Erlernte vertieft werden kann.

Die gesteigerte Professionalisierung und Differenzierung der Museumsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zeigt der 2019 erschienene Leitfaden »Professionell arbeiten im Museum« des Deutschen Museumsbundes mit der Identifikation und Beschreibung von über 50 Tätigkeitsprofilen der Museumsarbeit eindrucksvoll auf. MUSEALOG hat diese Entwicklung schon früh
aufgenommen und das Themenspektrum der Fachseminare und EDV-Schulungen entsprechend erweitert und angepasst.

Der Ausbruch der SARS-Cov2-Pandemie 2020 stellte MUSEALOG vor große Herausforderungen. Im Lockdown musste der Präsenzunterricht für mehrere Wochen eingestellt werden, sodass die Fachseminare und EDV-Schulungen vorübergehend mit Hilfe der Leihlaptops als Webseminare durchgeführt werden konnten. Mit Ende des Lockdowns im Juni 2020 wurden alle Seminare mit entsprechendem Hygienekonzept wieder in Präsenz durchgeführt und intensive Diskussionen und Übungen in einer gemeinsamen Lerngruppe sind seither wieder möglich. Der durch die Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub findet in der Konzeption neuer MUSEALOG-Seminare wie »YouTube für Museen« und »Digitale Strategien für Museen« seinen Niederschlag.

Von Beginn an versteht sich MUSEALOG sowohl als Türöffner für Menschen, die im Museum arbeiten wollen, als auch als Scharnier zwischen den Anforderungen der Museen und den Kompetenzen der Arbeit suchenden Akademiker*innen. Museen schätzen die beruflichen Kompetenzen und Erfahrungen, die die MUSEALOG-Absolvent*innen während ihrer Teilnahme
an der beruflichen Weiterbildung gewonnen haben. Dementsprechend erfolgreich ist MUSEALOG bei der nachhaltigen Integration der Teilnehmenden in den Arbeitsmarkt. Innerhalb der ersten sechs Monate nach Beendigung von MUSEALOG finden über 70% der Teilnehmer*innen eine Beschäftigung. Langfristig – gemessen dreieinhalb Jahre nach Beendigung von MUSEALOG – steigt diese Integrationsquote noch einmal auf über 85%. Im Jubiläumsjahr 2022 hat ein MUSEALOG-Kurs sogar die phantastische Integrationsquote von 100% sechs Monate nach Kursende erzielt! Arbeit suchende Wissenschaftler*innen können an MUSEALOG kostenfrei teilnehmen, wenn sie von den Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern einen Bildungsgutschein erhalten. Mit dem Bildungsgutschein erhalten hoch qualifizierte Menschen die Chance, sich für den musealen Arbeitsmarkt zu qualifizieren, um im Anschluss entsprechend ihrer Qualifikationen eine studienadäquate Beschäftigung aufzunehmen.

Die Museumsakademie MUSEALOG bietet Akademiker*innen eine »zweite Chance«, um eine ihrem Studienabschluss entsprechende Beschäftigung aufzunehmen. Scheitert der Übergang vom Studium in den Beruf zunächst, liegt dies oftmals an mangelnden berufspraktischen Kenntnissen und Erfahrungen. Auch der erfolgreiche (Wieder-)Einstieg in den Museumsberuf
nach Erziehungsphasen, nach Zeiten der Familienpflege, nach Erkrankung oder Arbeitslosigkeit stellt für Fachkräfte eine große Herausforderung dar. Hier bietet MUSEALOG mit der engen Verzahnung von Theorie und Praxis seit vielen Jahren eine Brücke für hochqualifizierte und Arbeit suchende Menschen in den musealen Arbeitsmarkt.

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in den Museen gewinnt die Museumsakademie MUSEALOG mit ihrer beruflichen Weiterbildung »Fachreferent*in für Sammlungsmanagement und Qualitätsstandards in Museen« immer größere Bedeutung, um Arbeit suchenden Akademiker*innen die Tür ins Museum aufzustoßen und den Museen qualifizierte Fach-
kräfte zu sichern. Mit den Absolvent*innen von MUSEALOG gewinnen die Museen hoch motivierte und zu aktuellen Themenfeldern museologischer Arbeit qualifizierte Mitarbeiter*innen.

Dirk Heisig
Leiter MUSEALOG | Die Museumsakademie