Julia Bock

Expertin für historische Tapeten

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Teilnehmerin MUSEALOG 2019 | 2020

Schlossmuseum Jever

Schlossplatz 1 | 26441 Jever

Kursbuch MUSEALOG 2019 | 2020

Der Umweg war mein Weg

Mein Weg zurück in die Museumswelt war kein einfacher. Als verwitwete Kunstwissenschaftlerin, die ursprünglich als Kinderkrankenschwester gearbeitet hatte, stand ich nach dem Tod meines Mannes vor einer existenziellen Leere. Mein Studium auf dem zweiten Bildungsweg in Kunst- und Erziehungswissenschaften war abgeschlossen – doch Berufserfahrung in Museen fehlte, und ohne diese blieb ich in einem Teufelskreis aus kurzen Werkverträgen, Aushilfstätigkeiten und dem wiederholten Rückgriff auf meinen ursprünglichen Beruf, um finanziell über die Runden zu kommen. Auch meine Doktorarbeit musste ich abbrechen – nicht aus Mangel an Motivation, sondern weil ich einfach überleben musste.

Der Versuch, eine geförderte Weiterbildung über einen Bildungsgutschein zu erhalten, scheiterte zunächst am formalen Blick der Behörden: Ich sei ja wieder als Kinderkrankenschwester tätig gewesen – freiwillig, wie man annahm. Erst mit anwaltlicher Unterstützung erhielt ich schließlich die Gelegenheit, meine Lage im persönlichen Gespräch beim akademischen Dienst der Arbeitsagentur Kassel zu schildern. Ich wurde gehört – und der Bildungsgutschein wurde bewilligt. Der Wendepunkt kam mit meiner Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung MUSEALOG 2019 | 2020. Das Schlossmuseum Jever hatte ein Projekt mit einem Goldledertapetenfund sowie Papiertapetenfragmenten im Bestand – ein ideales Praxisfeld für meine Fachkenntnisse und mein besonderes Interesse. Ich übernahm die Dokumentation, Reinigung und Inventarisierung der Fragmente und begleitete die Arbeiten an einem rekonstruierten Goldlederkabinett. Parallel wirkte ich bei Ausstellungskonzeption, Vermittlungsarbeit und Sammlungsdigitalisierung mit – eine intensive Zeit, in der sich mein fachlicher Weg zu festigen begann.

Doch dann kam die Corona-Pandemie. Ausstellungsbetriebe standen still, Stellen wurden eingefroren. In dieser Phase schrieb ich insgesamt 436 Bewerbungen – über zwei Jahre hinweg. Erst 2021 öffnete sich wieder eine Tür: Ich wechselte ins Herrenhauszentrum des Ostseeraums an der Universität Greifswald, das unter der Leitung von Prof. Dr. Kilian Heck ein großes, digital ausgerichtetes Forschungsprojekt zur kunsthistorischen Erschließung von Herrenhäusern des 18. Jahrhunderts im Ostseeraum durchführte. Als Gebietsbeauftragte für Schleswig-Holstein untersuchte ich unter anderem die Anlagen Pronstorf und Emkendorf. Ich dokumentierte Innenräume, Tapetenfunde, Gartenarchitekturen und Archivmaterialien, organisierte Messkampagnen, bereitete Daten für die Wikidata-Plattform auf und arbeitete mit zahlreichen nationalen und internationalen Partnerinstitutionen im gesamten Ostseeraum zusammen. Parallel konnte ich ab November 2021 mein Promotionsprojekt am Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifswald aufnehmen. In meiner Dissertation dokumentiere ich historische Bild- und Panoramatapeten in Repräsentationsräumen Norddeutschlands – von Gutshäusern über Kaufmannshäuser bis zu Bauernhäusern. Frau Prof. Dr. Sander, Direktorin des Schlossmuseums Jever, wurde meine Zweitprüferin für meine Doktorarbeit. Ohne MUSEALOG hätte ich sie nicht kennengelernt.

Seit 2024 bin ich als Fachberaterin für historische Tapeten tätig und betreibe mit www.julias-tapetenwelt.de meine eigene Plattform. Mein Angebot reicht von Archiv- und Quellenrecherche über museale Vermittlung bis zu Vorträgen und Beratung bei Restaurierungen. Ein Höhepunkt war 2025 die Projektleitung eines bedeutenden Tapetenfunds im Herrenhaus Plüschow, bei dem ich meine wissenschaftlichen und praktischen Kompetenzen ideal einbringen konnte. Im August 2025 werde ich schließlich Museumsleiterin des Regionalmuseums Wolfhager Land – eine Aufgabe, die ich mit großer Freude, Verantwortung und dem Wissen um meinen langen, oft steinigen Weg übernehmen werde. Die MUSEALOG-Weiterbildung war für mich das entscheidende Sprungbrett. Sie gab mir nicht nur fachliche Kompetenz, sondern vor allem Rückenwind, Hoffnung und einen klaren Anker in einem beruflich wie persönlich herausfordernden Lebensabschnitt. Heute weiß ich: Der Umweg war mein Weg – und er hat sich gelohnt.

Julia Bock, Juni 2025